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Julius Hinrichs Deutscher Vizemeister

Julius Hinrichs Deutscher Vizemeister

 

07.August 2021, Markt Schwaben

 

Noch nie ist es mir so schwer gefallen, einen Bericht über meine Athleten Julius Hinrichs und Ole Hansen einigermaßen neutral zu schreiben. Dazu ist im Vorfeld der Deutschen Meisterschaften zu viel passiert. 

Ole hat bis zu seiner Qualifikation zur DM am 24. Juli in Ahrensburg nicht daran geglaubt, dass er die Qualifikationsleistung von 2:08 Min über 800 m überhaupt laufen kann. Ich höre noch seine Stimme „Ich schaff das nicht!“. Immer wieder! Die Trainingsergebnisse sprachen dafür, dass er die Zeit laufen konnte. Da war ich mir ganz sicher, aber seine Selbstzweifel auszuräumen, hat unglaublich viel Energie gekostet. Sogar noch bei der DM in Markt Schwaben sagte er, dass er sich mies fühle und die 2000 m nicht in der angestrebten Zeit von 6:40 Min laufen könne.

Neben vielen verpassten technischen Einheiten wegen Corona kam bei Julius noch dazu, dass er sich einige Wochen vor der DM so stark am Zeh verletzte, dass der Fuß in keinen Schuh mehr passte. Dann kam noch eine zweiwöchige Corona-Quarantäne dazu, sodass auch seine Qualifikation erst 5 Tage vor Meldeschluss in trockenen Tüchern war. Sowohl für Julius als auch für Ole wurde in Winsen und Ahrensburg gesonderte Wettkampfmög- lichkeiten eingerichtet, um die Qualifikation zu ermöglichen.

Trotz aller Umwege und Stolpersteine haben Ole und Julius die Tage sehr intensiv dazu genutzt, das Mögliche möglich zu machen, was glücklicherweise zur Qualifikation und dann zu einer berauschenden erneuten Leistungsverbesserung bei der DM geführte. Die beiden haben großartiges geleistet. In jeder Hinsicht. Aber jetzt zu Fakten und zum Ereignis:

Die Deutschen Blockmeisterschaften U16 (14 und 15 Jahre) wurden in diesem Jahr in Markt Schwaben in der Nähe von München ausgetragen. Das Wetter war perfekt. Ein wenig Sonne, aber nicht zu heiß, kein störender Wind, perfekte Organisation und völlig unaufgeregte Ausrichter und Kampfrichter. Die veranstaltenden Süddeutschen hatten die Ruhe weg, was sich sehr positiv auf die Aktiven und auch Trainer auswirkte. Qualifiziert für den Blockwettkampf Lauf M15 hatten sich auch die beiden Winsener Julius Hinrichs und Ole Hansen von der LG Nordheide/TSV Winsen. Julius war als viertbester und Ole als achtbester Athlet gemeldet. Dass sich aus ganz Deutschland nur insgesamt 8 Athleten für diese Deutschen Meisterschaften qualifiziert hatten, spricht für die doch recht hohen Anforderungen für diesen Mehrkampf, der aus 100 m, 80 m Hürden, Weitsprung, Ballwurf und 2000 m besteht.

Die Nr. 1 in Deutschland, Luca Brill aus Leverkusen, war im Prinzip unschlagbar. Zu deutlich führte er die deutsche Bestenliste an. Aber für Julius sollte bei optimalem Verlauf der dritte Platz möglich sein. Für Ole war die Qualifikation schon ein Riesenerfolg. 

Um nicht letzter in diesem Klassefeld zu werden, hätte er schon einige Bestleistungen aufstellen müssen.

Der Wettkampf begann mit dem 80 m-Hürdenlauf. Hier zeigte sich, dass sich Ole und Julius bestens auf diese Meisterschaft vorbereitet hatten. Ole konnte seine Bestleistung um etwas mehr als 1 Sekunde steigern, Julius um etwa 0,5 Sekunden. Mit der drittbesten Hürdenzeit lag Julius gleich nach der ersten Disziplin auf einem Medaillenrang in der Gesamtwertung. Danach folgte der Ballwurf, eine Paradedisziplin von Julius. Wie auch Ole mit 51,50 m erzielte Julius mit 63 m Bestweite, mit der er dann für alle unerwartet in Führung ging. Grund dafür war auch, dass Luca Brill mit einer Rückenverletzung zu kämpfen hatte, die ihn doch etwas beeinträchtigte.  Ole lag zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner beiden Bestleistungen auf Platz 5.

Es folgte der 100 m Lauf. Bei leichtem Gegenwind schaffte es Julius zum ersten Mal, die Schallmauer von 12,0 s zu unterbieten. Mit 11,82 s lief er die beste Zeit der Wettkampfriege und festigte Platz 1 in der Gesamtwertung. Auch Ole lief mit 12,32 s Bestleistung und konnte seine Position im Gesamtklassement halten. Der Weitsprung, der nun folgte, war eine Paradedisziplin des Favoriten Luca Brill, der in diesem Jahr im Prinzip immer weit über 6 m gesprungen ist. Julius hatte dagegen nur 5,26 m als Bestleistung zu bieten. Es kam, wie es kommen musste. Luca Brill sprang trotz seines Handicaps 5,96 m weit aber Julius nur 5,06 m, wobei er beim letzten Sprung das Pech hatte, mit der Hand noch einen Abdruck zu hinterlassen, der ihm wertvolle cm kostete. Ole hingegen legte mit 5,36 m einen perfekten Sprung hin, der gleichzeitig eine neue Bestleistung war. Er hielt damit die Position 5. Julius hingegen war, wie erwartet, auf den 2. Platz zurückgefallen, der aber immer noch besser war als zuvor erhofft..

Als letzte Disziplin stand der 2000 m-Lauf auf dem Programm. Bis auf Ole und Julius hatten alle im Feld so in etwa ein Niveau von 6:20 Min zu bieten. Zwei Laufspezialisten konnten sogar um die 6:10 Min. laufen. Sowohl Ole als auch Julius waren laut ihren Vorwerten in der Lage, eine Zeit um die 6:40 Min. zu laufen. Zum Vergleich: das ist immerhin eine Zeit, die bisher nur 1 Läufer der Altersklasse in 2021 aus Niedersachsen unterboten hatte - und das ist ein „gelernter“ Mittelstreckler. Mit anderen Worten, Ole und Julius waren die langsamsten Läufer im Feld, allerdings auf einem sehr hohen Niveau.

Julius, der nach dem Weitsprung auf dem 2. Platz lag, konnte sich einen Rückstand von ca. 15 Sekunden auf den Drittplatzierten Jonathan Enders aus Bad Salzungen leisten, der Favorit auf Platz 2 und ein hervorragender 2000 m-Läufer war. Auch für Ole war die Herausforderung sich möglichst gut im Feld der hinter ihm platzierten Mehrkämpfer zu platzieren, um Platz 5 zu halten.

Die Zeichen standen also nicht wirklich gut für die beiden Nordheider. Es wurde noch kurz die Lauftaktik besprochen und beide wollten die zuvor im Training immer wieder erprobte Strategie zu versuchen: Die erste Runde in moderaten 80 Sekunden angehen und dann dieses hohe Tempo zu halten, um schließlich in die Nähe von 6:40 Min laufen zu können.

Da die direkte Konkurrenz normalerweise um die 20 Sekunden schneller laufen konnte, war die Chance, die Gesamtplatzierungen halten zu können, nicht wirklich groß.

Es kam, wie so oft, anders. Bis auf die zwei Langlaufspezialisten im Feld, die unter 6:20 min ins Ziel kamen und in der Medaillenvergabe keine Rolle spielten, gingen alle  Konkur- renten das Rennen zu schnell an. Julius und Ole waren mutig genug, mit 80er-Runden die ersten drei Runden auf den beiden letzten Plätzen dem Feld hinterher zu eilen. Und das war gut so, denn sie behielten stets Anschluss an das Hauptfeld, das sehr eng zusammenlag. Auf den letzten beiden Runden arbeiteten sich die beiden - das Tempo exakt haltend - an das Feld heran, und auf den letzten 200 m konnten Ole und Julius die Lücke zum Hauptfeld schließen. Ole konnte noch bis auf Platz 4 in 6:39 Min. ins Ziel vorlaufen. Auch Julius lief zu den vor ihm laufenden Athleten auf und verlor mit erzielten 6:42 Min nur wenige Punkte auf seinen Silber-Konkurrenten. Eine besonnene und sehr reife Leistung von den beiden, die völlig erschöpft ins Ziel liefen.

Es gewann schließlich wie erwartet Luca Brill mit 2726 Punkten vor Julius mit 2677 Punkten und Jonathan Enders mit 2668 Punkten. Ole wurde mit 2516 Punkten schließlich 6. Deutscher Vizemeister und Platz 6 sind natürlich für beide jungen Sportler Ergebnisse, die sie noch nicht einmal zu erhoffen wagten. Grund dafür war letztendlich nicht, dass die Konkurrenz versagte, sondern dass Julius und Ole in 9 von 10 Einzeldisziplinen Bestleistungen erreichten.

 

 

Bericht: Trainer Wilfried Oppermann

Fotos: A. Hansen